Wie kann der Mensch wirtschaften, um eine größere Ausgeglichenheit und Harmonie in der Welt zu erzeugen?

Inhalte und Anregungen aus dem Seminar „Geistiges Schauen“

 

18. bis 19. Februar 2023 im ökologisch-spirituellen Projekt „Naone“
Referent und inhaltliche Leitung: Heinz Grill

 

„Wirtschaften“ betrifft jeden
Im Kontext des Seminars und auch ganz generell im Zusammenhang der von Heinz Grill erarbeiteten und geführten geistigen Schulung wird die Vorstellung gepflegt, dass die Frage nach dem besseren, ausgleichenden, ja dem wünschenswertesten gesunden Wirtschaften grundsätzlich jeden Einzelnen betrifft. Jeder einzelne Mensch unterhält zahlreiche Wirtschaftsbeziehungen und ist damit herausgefordert, diese mit klarer Bewusstseinskraft, guter Wahrnehmung, realistischer Beziehung zur Welt sowie nach logischen Kriterien selbst zu gestalten. Aus eigener Selbstkraft werden idealere Gedanken und Vorstellungen geschaffen, vertieft und verwirklicht. Wie und warum diese individuelle Tätigkeit zu einer über das Persönliche hinausgehenden Ausstrahlung führt, war Gegenstand des Seminars und wird im Folgenden nachvollzogen.


Kommunismus und Kapitalismus – die Antipoden der modernen Welt
Als ein Aspekt der sich gegenüberstehenden Strömungen wurde die Frage nach dem Verhältnis vom Schöpfer, Urheber oder Autoren zu seinem Werk oder Produkt herausgegriffen.


Karl Marx sah die Vergesellschaftung von materiellem oder geistigem Eigentum als eine Möglichkeit, einer übermäßig starken Bindung des Menschen an sein Werk entgegen zu treten. Das vom Individuum Geschaffene sollte vom Urheber gelöst und in das Eigentum des Staates überführt werden. In gedanklich-logischer Konsequenz kann darin die Gefahr einer Ent-Individualisierung und damit Sinnentleerung liegen.


Im Kapitalismus dagegen bleibt das geschaffene Werk deutlich und eng mit seinem Urheber verbunden. Allerdings zeigt sich diese an sich natürliche Verbindung in einer ungünstigen Tendenz, wenn Mensch und Werk dem materiellen Gewinn und Erfolg als oberstem definiertem Ziel dienen sollen.


Das gesunde, beziehungsvolle Wirtschaften stellt den schöpferischen Mensch in die Mitte. Dessen Beziehungsvermögen und Wertempfinden richtet sich sowohl auf die Güter als auch auf die Gesamtheit – Gesellschaft und globales Gleichgewicht – und hat damit das Potential, auf beide Pole zu wirken. Die Beziehung und Wertschätzung, die vom Einzelnen aufgebaut werden, nehmen die Schlüsselrolle ein.


„Wenn man eine intensive Beziehung zu einer Sache schafft, ist man zwar verbunden, aber dennoch freier im Gegensatz dazu, wenn man keine Beziehung schafft“
(Heinz Grill)


Wirtschaften als Beziehungsfrage
Ausgehend von der Fragestellung „Beziehung und Wertempfinden – wie kann das aufgebaut werden?“ wurde gemeinsam die Seelenübung „Entwicklung eines praktischen Denkens für die Verwirklichung von Tugendkräften und Seelenfähigkeiten“ praktiziert. 1)


Ganz entscheidend für den Erfolg der Übung wie auch für die gewünschte positive Ausstrahlung des eigenen Tuns ist eine grundlegende Unterscheidung dessen, was man selbst tun kann und dessen, was man nicht selbst tun kann und wo man folglich nicht selbst willentlich eingreifen sollte.


Wertschätzung einer Sache oder einem Menschen gegenüber kann man schlechterdings direkt erzeugen oder einfordern. Das Wertempfinden stellt sich jedoch auf natürliche Weise ein, wenn grundlegende logische innere Arbeitsschritte selbst geleistet werden. Erfolgen Aktivität und Selbsterziehung an der richtigen Stelle, wird eine Tugend wie die Wertschätzung schließlich Einzug halten, den Menschen bereichern und sein Denken, Fühlen und Handeln begleiten.

Mit Mut Neuland schaffen
„In Zeiten, in denen Niedergangskräfte dominieren, kommt es auf den ganzen Menschen an, auf den Entschluss, nicht mit dem Strom und nicht gegen den Strom zu schwimmen, sondern Neuland zu schaffen in sich selbst und in seinem Wirkungskreis“  (Rudolf Steiner) 2


Der Mensch braucht den Mut, seine Schöpferkräfte wirklich zu gebrauchen und einzusetzen. Im Sinne der Wirtschaft ist dies der Mut zum Wirtschaften unter der Prämisse des Wertempfindens und der Beziehungsqualität. Es bedarf weiterhin beispielsweise des ungewöhnlichen Mutes, eine Idee nicht sofort impulsiv ausführen zu wollen, sondern zunächst die Arbeit der Gedankenbildung zu leisten. Auf Grundlage dieser konkreten, lebendig geschaffenen Vorstellung geschieht die Umsetzung, die Verwirklichung der Idee.

 

Eine Anregung aus dem Seminar zur weiteren Erforschung gibt die Frage:
„Was bedeuten konstruktive Wertschätzung und Wertempfindung grundsätzlich für das Wirtschaften?“
Heinz Grill prognostiziert, dass gewohnte Vorgehensweisen z.B. bei der Gründung eines Wirtschaftsunternehmens zukünftig immer weniger tragfähig sein würden. Das Prinzip, wonach der Gründer zuerst einen wirtschaftlichen Komplex zur Verfügung stellt (bspw. eine ausgestattete Arztpraxis) und dann mit der Arbeit beginnt, würde zunehmend schwieriger.


Es besteht aber die Möglichkeit und Notwendigkeit, dies alles in Abstimmung und gemeinsamer Arbeit prozesshaft zu erringen. Ziele müssen den Anfang bilden, vergegenwärtigt und klar besprochen werden, bis eine für alle tragfähige Zielvorstellung vor Augen steht. Im grundlegenden „sozialen Prozess“ werden die Ziele aller Mitwirkenden ins Gleichgewicht gebracht und daraus werden (ideelle sowie materielle) Inhalte direkt im Arbeits- und Umsetzungsprozess realisiert.


Pionierarbeit leistet Heinz Grill mit den Mitwirkenden im Projekt der „Sonnenoase“ Naone, dem Tagungsort des Seminars. Hier wird produktiv gearbeitet, finden Begegnungen statt, wird gemeinsam gegessen und werden Asanas praktiziert. Unterkünfte für die Teilnehmenden gibt es ebenso, auch wenn Bauzustand und Ausstattung noch nicht der gewünschten Idealvorstellung entsprechen. Das gesamte Seminar war getragen von einer interessierten, lebendigen, zielstrebigen und doch freilassenden Arbeitsatmosphäre, ungeachtet dessen, dass beispielsweise für die rund einhundert Teilnehmer keine Speisetafel gedeckt war, sondern die frisch zubereiteten Mahlzeiten ungezwungen rund um das improvisierte Buffet eingenommen wurden.


Gefordert und nötig ist der kreativ-schöpferische Mensch, der in gemeinsamer Abstimmung das Ziel immer weiter entwickelt. Der „gute“ oder „brave“ Mensch, der sich ohne weitere Gedanken in seine Arbeit schickt und das geforderte Pensum leistet, ist aufgefordert, sich zum schöpferischen Menschen weiter zu entwickeln.

Wirtschaften als Qualitätsfrage
Ein Ziel gemeinsam weiter zu entwickeln, führt zu Qualität. Es erfordert kreative Arbeit, damit das Ziel in ein möglichst ideales Gesamtes einmündet. Geistig gesehen, so Heinz Grill, hängt die Qualitätsfrage von der Opferleistung des Menschen ab. Es ist bedeutungsvoll, was der Mensch in eine Sache hineingibt – nicht das, was er für sich nutzen und konsumieren kann.
Der letzte Abschnitt des Seminars war der 5. Seelenübung 3), der Konzentration, gewidmet. Heinz Grill bezeichnet die Konzentrationsübung als die „stärkste und wirksamste Übung“, die zur Verfügung stehe.


Der zentrale Satz lautete:
„Die Opferleistung des Menschen bestimmt die Qualität und gesamte Entwicklung“
(Heinz Grill)


Erweitert kann gedacht werden „Die kreativ-moralische Opferleistung des Menschen bestimmt durch den Inhalt die Qualität des Produktes und die gesamte Entwicklung“. Erläuternd kann man sich vorstellen, dass der Mensch mit seiner kreativen Vorstellungsbildung und Opferleistung, die einen Zusammenhang zwischen Geist und Materie herstellt, den Inhalt eines Produktes im umfassenden Sinn bestimmt.


In der Ausführung dieser Übung bleibt das Bewusstsein ohne Ablenkung oder Abschweifen klar und ruhig auf diesen Satz gerichtet. Dies stellt durchaus eine Anforderung dar, weil bestehendes Wissen und aufkeimende Assoziationen als solche erkannt und zurückgewiesen werden müssen. Das Bewusstsein bleibt immer am gewählten, universal gültigen Gedanken. Mit der Zeit stellen sich feine Empfindungen und Eindrücke ein, die als rückwirkende Ausstrahlungen des in die Konzentration geführten Gedankens gelten.


Die Darstellung dieser Übung – wie auch die anderen Fragestellungen -  dürfen gern als Anregung zur individuellen weiteren und eigenen Forschungsarbeit aufgefasst werden.


Beiträge
Nicht unerwähnt bleiben sollen zwei Vortragsbeiträge:
Ludwig Meindl untersuchte ausgehend von der Frage „Was ist Wissen?“ in einem weiten Bogen das Verhältnis von Mysterienschulung und Philosophie. Die Geheimschulung des antiken Griechenland wurde über Jahrhunderte von der denkenden Wissenschaft der Philosophie abgelöst. Die Philosophie allerdings als auch ins Metaphysische führender Erkenntnisweg gibt sich selbst – im Groben gesprochen – in den Naturwissenschaften (siehe Neurophysiologie) auf. Gleichzeitig wird mit der spirituellen Hochschule die „Mysterienschulung“ in einer neuen, öffentlich zugänglichen, auf logisch nachvollziehbaren Kriterien beruhende und die seelische und geistige Realität umfassende Weise von Heinz Grill geschaffen.
Andrea Erhart-Leicht beschäftigte sich mit Person und Werk des Philosophen Platon. Platon beschreibt neben der irdischen, sinnlich erfassbaren Welt eine übergeordnete, reale Welt der „Urbilder“ oder „Ideen“.


Wirtschaften als Freiheitsfrage
Während eines zweitägigen Seminars musste diese umfassende Thematik notwendigerweise fragmentarisch bleiben. Es ist aber äußerst wünschenswert, dieses zeitaktuell wichtige Gebiet im Dialog weiter zu entwickeln.

„Wirtschaften ist eine Qualitätsfrage
Wirtschaften ist eine Beziehungsfrage
letztlich ist Wirtschaften eine Freiheitsfrage.“
(Heinz Grill)


Der dritte Zusammenhang zwischen Wirtschaft und Freiheit konnte im Rahmen des Seminars nicht mehr aufgegriffen werden. Als Impuls für eigene Überlegungen auf diesem Gebiet wird ein Zitat aus den Meditationsbriefen von Heinz Grill vorgestellt:


„Jenen Wert, den der Mensch in einer Arbeitsleistung, in einem Produkt oder allgemein in
einer guten Kunst erkennt, erlebt er im Stillen seiner Seele als befreiende und entlastende
Lichtqualität. Er befreit sich selbst im Inneren und darüber hinaus entzaubert er die Materie
von den schattenhaften Schleiern, er erhebt die Materie. Es ist der Gedanke, der in Beziehung
erstrahlt und eine Leistung wertschätzt.

Alle Bindungen neigen sich im Inneren des menschlichen Daseins zu einer lastenden Schwere, die unendlich viele unsolide Begehrenskräfte freisetzt und das Wertvolle einer Arbeit, einer Kunst oder eines Produktes nicht mehr wirklich erkennen lässt. Der Konsum in einseitiger Form gewinnt durch innere Bindungen einen materialistischen Verlauf.“
(Heinz Grill) 4)

Rückblick: Ulrike Sinzinger, 21. Februar 2023


1) Vgl. Heinz Grill, „Übungen für die Seele“, stw-Verlag
2) Zitiert von Heinz Grill im Meditationsinhalt vom 11. Februar 2023; bei Interesse an den regelmäßig erscheinenden Meditationsbriefen siehe www.heinz-grill.de
3)
Vgl. Heinz Grill, „Übungen für die Seele“, stw-Verlag
4) Meditationsinhalt vom 28. Januar 2023; bei Interesse an den regelmäßig erscheinenden Meditationsbriefen siehe www.heinz-grill.de